Persönlichkeitsbildung durch Bewegung

In meiner Ausbildung zum Gymnastiklehrer hatte ich die Fächer Körperbildung und Bewegungsbildung.

In Körperbildung/Organbildung fand ich viele Anlehnungen an Yoga, in Bewegungsbildung ging es viel um die Verbindung von innerer und äußerer Bewegung. Es lag und liegt auf der Hand, dass körperliche Bewegung mit geistiger und seelischer Bewegung zusammenhängt.

Dies habe ich in den folgenden Berufsjahren immer wieder erlebt: bei TeilnehmerInnen meiner Tanz-Kurse, die von Besserung des Allgemeinbefindens sprachen, bei meiner eigenen täglichen Morgen-Gymnastik, mit der ich mich auf den Tag einstimme und motiviere.

Gymnastik wird oft nur als Aufwärmung für sportliche Leistung angesehen und, vielleicht weil sich das Wort etymologisch vom altgriechischen gymnazein für „üben“ herleitet, im Sport als Ableiern von irgendwelchen sog. gymnastischen Übungen reduziert.

Ich hingegen möchte  Gymnastik als ein umfassendes Üben sehen, ein Üben des Körpers, aber auch der geistigen und seelischen Konstitution, die diesen bewegt und auch von ihm bewegt wird, als Persönlichkeitsbildung im Sinne von lebenslangen Lern- und Veränderungsprozessen.

In diesem Sinne arbeite ich seit 1987 im Kinderturnen/Bewegungserfahrung mit Kindern ab 2 Jahren und ihren Eltern und darf mich manchmal darüber freuen, wenn ich heute 20-jährige treffe, an interessanten Persönlichkeiten mitgewirkt zu haben.

Nach 30-jähriger Erfahrung beim Einstellen von Bewegungslehrern und -lehrerinnen in meinen Kinderturnverein und auch bei Kongressen und Fortbildungen des Bayerischen Landessportverbandes, an denen ich sowohl als Lehrender als auch als Lernender mehrmals teilgenommen habe, konnte und kann ich immer wieder feststellen, dass körperliche Bewegung (in Deutschland) hauptsächlich unter dem Leistungs- und teilweise unter dem Gesundheitsaspekt gesehen und vermittelt wird. Das ist ja nicht schlecht, aber meines Erachtens viel zu kurz gesehen. Den Grund sehe ich in der Ausbildung, die eher leistungs- als persönlichkeitsbildend orientiert ist. Angehenden Lehrer/inne/n, nicht nur im Fach Sport,  die persönlichkeitsbildenden Aspekte von Bewegung nahe bringen - eine Utopie? Ich kenne einige Lehrer*innen, die in ihrem Unterricht die Wichtigkeit von Bewegung als Motivation zu freudvollem Lernen erkannt haben und umsetzen. Aber dies sollte auch in den Kultusministerien, die die Bildungs-Richtlinien vorgeben, und - last not least - in der Gesellschaft ankommen. Utopisch?

Ich habe meinen Teil dazu getan und tue es teilweise immer noch. Außerdem kommen demnächst in 2024 meine Bücher zu Kinderturnen/Bewegungserfahrung und Gymnastik als Weg heraus - s.auch hier!